Wort zum Sonntag, 29. Oktober 2006:

 

Demut

 

Was sollen wir antworten, wenn unsere Kinder und Jugendlichen uns danach fragen, was denn unserem Leben Sinn und Ziel gibt?

Die Antwort könnte eigentlich sehr einfach sein. Sie ist zusammengefasst in dem zeitlos gültigen Satz des Propheten Micha: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott (Micha 6,8). Sie hat etwas zu tun mit „Religion“, der Rückbindung des Menschen an Gott.

Der Schlüssel steckt in dem kleinen Wörtchen „demütig“ – einem Begriff, der heute nicht gerade zu den Modeworten gehört. Denn das Wort „demütig“ klingt altbacken und antiquiert. Doch so unmodern ist es gar nicht! Seinem ursprünglichen Wortsinn nach meint dieses kleine Wort etwas sehr Einfaches: Es bedeutet im Sprachgebrauch der Lutherbibel, sich mit seinem ganzen Engagement, „mit dienendem Herzen“, für das Gute in der Welt einzusetzen, damit sie wieder werden kann, wie sie ursprünglich gemeint war.

Täuschen wir uns nicht! Wir haben diese Haltung bitter nötig im Umgang miteinander, im Verhalten gegenüber Menschen und allen Lebewesen, gegenüber anvertrauten Sachen und Strukturen. Hochrangige Manager und einfache Soldaten stehen jetzt vor Gericht, weil sie es am Einfachsten haben fehlen lassen: an Respekt vor den Menschen und Demut – Mut zu dienen und nicht sich zu bereichern, zu demütigen, zu quälen und zu verspotten.

Christliche Demut könnte heute darin bestehen, nach Gottes Weisungen zu fragen in einer Welt, die weitgehend von egoistischen Interessen bestimmt wird. In der jüdisch-christlichen Tradition sind diese Weisungen klar definiert. Der Prophet Micha umschreibt sie so: Gottes Wort achten und Barmherzigkeit üben gegen jedermann. Das ermöglicht ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden, erst recht, wo es gefährdet ist durch Gewalt und Übermut. Das ist eigentlich nicht schwer zu begreifen – auch in einer globalisierten Welt – und doch schwer zu tun. Darum braucht es couragierte Christinnen und Christen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Denn wie heißt es doch in einem bekannten Kernsatz der Pädagogik? Du kannst deinen Kindern predigen, was du willst. Sie machen dir doch alles nach!

 

Peter Godzik, Propst in Ratzeburg