Andacht zu Beginn des Erntedankfestes des Kreislandfrauenverbandes
am 11. Oktober 2001 um 14 Uhr in der Reithalle von
Schloss Wotersen
von Propst Peter Godzik
Sehr verehrte Frau Struve, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landfrauen!
Das Datum des heutigen Tages erlaubt uns nicht, so einfach fröhlich und dankbar zu feiern angesichts einer guten Ernte im Jahr 2001. Heute genau vor einem Monat beinahe zur selben Stunde fand der Terroranschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York statt. Irregeleitete Fanatiker haben einen bis dahin nicht für möglich gehaltenen Schlag gegen Tausende von friedlich und arglos arbeitenden Menschen geführt. Der Schock, die Trauer und die Verzweiflung über eine solche ruchlose Tat gingen um die ganze Welt. Die Menschen waren fassungslos über die Rücksichtslosigkeit und Brutalität dieses Anschlages. Noch immer tragen wir an seinen Folgen und bereiten uns vor, die Schuldigen im Hintergrund zu stellen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
Ein erschreckender Verlust an allgemein anerkannten menschlichen Werten ist in dieser Tat und noch viel mehr in dem dahinter steckenden Netz terroristischer Gewaltbereitschaft deutlich geworden. Wenn wir heute zum Dank für eine gute Ernte zusammenkommen, dann wollen wir uns daran erinnern, dass eine gute Ernte die Anerkennung von allgemeinen Menschenrechten und die Bereitschaft zum Frieden zur Grundlage hat. Wie Luther es in seiner Erklärung zur vierten Bitte des Vaterunsers beschrieben hat: „Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme, Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“
Weil dem so ist, habe ich für diese kleine Andacht zu beginn Ihres Erntedankfestes 2001 hier in der Reithalle von Schloss Wotersen einen Text aus dem 5. Buch Mose aus dem 8. Kapitel ausgewählt, der zu den biblischen Lesungen des Erntedankfestes gehört und zugleich deutlich macht, wie sehr das Wandeln in Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben und für ein Genießen der Erntefrüchte ist.
„Mose sprach zum Volk: Halte die Gebote des Herrn, deines Gottes, dass du in seinen Wegen wandelst und ihn fürchtest. Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Brunnen und Seen sind, die an den Bergen und in den Auen fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.“
Auch wir können Gott von Herzen danken für unser Lauenburger Land, in dem wir wieder so viel Zeichen fruchtbaren Wachsens und gedeihlicher Entwicklung ernten konnten. Das Ackerland, die Weiden, die Wälder und Seen, die Ställe und Höfe haben trotz mancher kritischer Entwicklung gerade im zurückliegenden Jahr mit BSE und MKS reichen Ertrag gebracht, für den wir heute unseren Dank abstatten wollen. Uns allen ist bewusst, dass dieses Ergebnis nur zustande kommen konnte, weil Menschen Frieden gehalten haben, Lasten gemeinsam getragen haben und zu einem Ausgleich der Risiken und Belastungen gekommen sind, der weltweit wohl einmalig sein dürfte. Gewiss haben wir immer noch im Einzelnen manche Kritik und manche Anregung vorzutragen, die politische Auseinandersetzung um gerechte und faire Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft muss weitergehen, aber wir dürfen doch feststellen, dass wir in den Grundlagen und Grundgegebenheiten weitgehend miteinander übereinstimmen und dankbar auf gute und gesunde Strukturen im ländlichen Raum und in der Landwirtschaft zurückblicken. Gewiss gibt es den Wandel, auch schmerzhafte Einschnitte und Veränderungen, die vom Einzelnen nur schwer zu verkraften sind. Aber es gibt auch Hilfe und Solidarität, die trägt. So halten wir die Gebote und wandeln in Gottes Wegen, indem wir die Grundlagen einer werteorientierten und solidarischen Gesellschaft achten. Gewiss gibt es hier und da auch schwarze Schafe, die sich nicht an die Regeln einer wertebewussten Gemeinschaft orientieren, sondern durch kurzfristigen Egoismus und eine gewisse Rücksichtslosigkeit einen Vorteil für sich zu erreichen suchen. Aber sie schaden damit nur sich selbst, weil eine der wichtigsten Einsichten und Regelmechanismen gerade in der Landwirtschaft die Nachhaltigkeit ist. Biblisch geredet liegt eben kein Segen darauf, wenn wir um eines vermeintlichen Vorteiles willen die Gemeinschaft schädigen und die Zukunft unserer Kinder gefährden. Gerade die Menschen, die in der Landwirtschaft leben und arbeiten, wissen, wie sehr die Dinge miteinander verflochten sind und wie langfristig vorteilhaft und nützlich ein wertkonservatives Verhalten ist. Wir halten die Gebote der Menschlichkeit nicht aus Furcht oder Zwang, sondern aus der tiefen Einsicht, dass nur daraus ein gedeihliches Zusammenleben erwächst und wir miteinander die Früchte des Lebens ernten und genießen können. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Wir leben und arbeiten gerade in der Landwirtschaft nicht in erster Linie gewinnorientiert, sondern lebens-, gemeinschafts- und kulturorientiert.
Auch dieses Erntedankfest 2001 gehört zur Tradition, die wir bewahren wollen. Denn: „Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir geben hat.“
Wir beten:
„Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, nach deinem Wohlgefallen.“ Amen.
Wir singen:
1: Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss' halten,
sind stets bei ihm in Gnad.
2: Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein Rechte halten,
verlaß mich nimmermehr.
3: Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.
4: Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit'.