Vergebung ist allein Gottes Sache, so lesen wir im Spruch der Woche (Psalm 130,4). Damit wird das tief sitzende Problem der Handlungsvollmacht berührt. Früher war es klar: Das ist allein Gottes Privileg. Allenfalls der Hohepriester durfte am Versöhnungstag einen Ritus der Entsühnung des Volkes vollziehen (3. Mose 23,26-32).
Wir wissen, welche Empörung es gab, als Jesus die Vollmacht der Sündenvergebung für sich selber in Anspruch nahm (Markus 2,7). Das Aufstehen des Gelähmten war ihm wichtiger als der Aufstand der Frommen.
Jesus hat diese erstaunliche Vollmacht an seine Jünger weitergegeben (Johannes 20,23) und damit das Priesteramt in der Kirche begründet. Seitdem ist die Sündenvergebung neben der Verkündigung des Evangeliums und der Darreichung der Sakramente (ja vielmehr: durch die Verkündigung des Evangeliums und die Darreichung der Sakramente) die wichtigste Aufgabe der Kirche.
Luther schreibt dazu im Großen Katechismus: „Alles in der Christenheit ist dazu bestimmt, dass man da täglich durch Wort und Zeichen lauter Vergebung der Sünden hole, um unser Gewissen zu trösten und aufzurichten, solange wir hier leben. So macht es der Heilige Geist, dass, obgleich wir Sünde haben, sie uns doch nicht schaden kann. Denn wir leben in der Christenheit, in der lauter Vergebung der Sünden ist, in dem doppelten Sinn, dass uns Gott vergibt, und dass wir uns untereinander vergeben, tragen und aufhelfen“ (Unser Glaube 747).
Das Priestertum aller Gläubigen hat diesen Dienst der Tröstung und Aufrichtung zum Inhalt: „... und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Es geht nicht um den Aufstand oder die Selbstbehauptung der Laien gegen die Ordinierten. Sondern um die gemeinsame Aufgabe, dass Schwache, Leidende, Gelähmte wieder aufstehen können - frei von Schuld. Und darum, dass die Botschaft des Evangeliums erklingt - in allen Landen und unter allen Umständen.