Welt voller Kreuze

 

Die Ereignisse von Djerba, Dschenin und Erfurt haben uns bewusst gemacht, wie mühselig und beladen wir in dieser Welt leben. Wie sollen wir das alles verkraften, was in persönlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zu tragen ist?

In meinem Rummelsberger Brevier gibt es eine Zeichnung von Angelika Millauer, die den Abendmahlstisch zeigt: Am unteren Ende drängen sich die Menschen, dunkel und gebeugt, vor ihnen etwas Brot und Wein. Der Blick geht nach oben und vorn ins Licht zum einladenden Christus. Mit ausgebreiteten Armen, das Kreuz der Wirklichkeit darstellend, empfängt er die Menschen, die an seinen Tisch kommen, wie warmes Sonnenlicht: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28)

Es ist gut, dass wir in dieser Welt einen Ort haben, zu dem wir kommen können, wenn wir ganz trostlos geworden sind. Wir schauen dann auf den Altar, wo ein Kreuz steht, zünden Kerzen an, stellen Blumen dazu und hören auf tröstliche Worte: „Herr, du hilfst Menschen und Tieren. Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter der Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!“ (Psalm 36,8)

Wir empfangen Gottes heilsame Gaben in einer einfachen Geste: im Teilen von Brot und Wein. Wir stellen uns erneut unter seinen Segen und versprechen, aufeinander acht zu geben und das Böse zu überwinden. Wir öffnen Augen, Ohren, Herz und Sinne für eine neue „Weltanschauung“, aus der wir Kraft und Orientierung gewinnen: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ (Psalm 36,10)

Müssen wir erst spektakuläre Einbrüche des Bösen und Verletzenden in unserm Leben erfahren, erleiden und ertragen, ehe wir bereit sind, der liebevollen Einladung Gottes zum einfachen Evangelium und zum Mahl der Gemeinschaft zu folgen?

Verspüren wir nicht längst schon Sehnsucht nach der Einfachheit barmherziger Liebe - irritiert und übersättigt von all dem Verwirrenden und Belastenden unseres täglich so mühsamen Lebens?

Es ist wirklich nichts Großartiges, wozu Gott uns einlädt - es ist eine einfache Geste der Güte und Menschenfreundlichkeit. Aber in diesem Zeichen liegt die ganze Kraft zukünftiger Entwicklung in Frieden und Gerechtigkeit für unsere mit Kreuzen übersäte Welt. Halten wir uns offen - unsere Kirchen und Gemeinschaften, unsere Herzen und Sinne - für all die Mühseligen und Beladenen, die zu uns kommen von nah und fern. Es geschieht auch uns selbst zugute.

 

Ihr Propst Peter Godzik