2000 Jahre mit Christus
Wir gehen einer Silvesternacht entgegen,
in der die Jahresanzeige von 1999 auf 2000 umspringt – ein bedeutsames
Ereignis, das mit allerlei Hoffnungen und Befürchtungen verbunden
ist. Die Hoffnungen richten sich auf ein neues, friedliches Jahrhundert
im Zusammenleben der Menschen nach einem Jahrhundert mit zwei Weltkriegen,
Völkermord, Flucht und Vertreibung von Menschen in zahllosen bewaffneten
Konflikten. Die Befürchtungen verbinden sich kurzfristig mit der bangen
Erwartung, ob auch alle Computer und elektronisch gesteuerten Geräte
den „Zeitsprung“ schaffen, und langfristig mit der skeptischen Aussicht
auf ein womöglich doch unbelehrbares Menschengeschlecht. Die verschiedenen
Ängste und Erwartungen werden sich in einem großen Feuerwerk
rund um den Erdball Luft machen, die Menschen werden beieinander sein und
feiern, sie werden sich zuprosten und gegenseitig Glück wünschen.
Einige werden es vorziehen, still zu beten für ein gutes neues Jahr,
ein gutes neues Jahrhundert, ein gutes neues Jahrtausend.
Vielen, nicht allen, wird bewußt
sein, nach wem wir die Jahre zählen, die veralten wie Gewänder
und die uns doch immer wieder neu geschenkt werden aus lauter Güte,
damit wir Gelegenheit haben, umzukehren und etwas Liebevolles und Tapferes
zu tun. Es ist die Geburt Jesu Christi, die den Jahreszahlen bei uns das
Zeitmaß gibt. Wir leben nun 2000 Jahre mit ihm, seiner Botschaft,
seiner Nähe und Güte. Das gilt objektiv für den Weltmaßstab,
das gilt subjektiv für uns als Volk erst 1000 Jahre und für den
einzelnen sehr viel kürzer, je nach dem, wie lange Taufe und Bekehrung
zurückliegen.
2000 Jahre mit Christus. Das ist ein Grund,
Dank zu sagen für die Wiederbringung der Menschlichkeit des Menschen.
Nach Gottes Ebenbild sind wir geschaffen, noch heute tragen alle Menschen
diese Würde an sich. Aber das Ebenbild entspricht nicht mehr dem Schöpfer,
wir sind ihm in vielen Dingen unähnlich geworden, ja haben uns unter
dem Druck der Verhältnisse manchmal in das ganze Gegenteil verkehrt.
Einer hat es geschafft, die Ebenbildlichkeit in voller Entsprechung durchzuhalten
durch ein ganzes Leben. Dieses Kind Jesus von Nazareth, das vor 2000
Jahren in Bethlehem geboren wurde, hat auch als erwachsener Mann seine
Menschlichkeit und seine Gottesentsprechung gelebt und durchgehalten. Unter
dem Kreuz von Golgatha hat dann einer bekennen können: „Wahrlich,
dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Aus dem „gewesen“ ist dann ein „ist“ und
„bleibt“ geworden im Vertrauen und Bekennen der Menschen. „Jesus Christus
– gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“, wie es in der Bibel
und auf dem Grundstein unseres Petri-Forums heißt. Wir können
nur dankbar sein, daß auf diese Weise die Möglichkeit der Gottesentsprechung
unter uns wieder Wirklichkeit geworden ist. Viele glauben an ihn und folgen
ihm nach – noch heute. Ihr Vertrauen wird bestärkt, wenn wir uns des
tiefsten Grundes unserer Milleniums-Feierlichkeiten bewußt werden.
Solange gibt es das schon: Gottes Geduld mit uns, seinen unablässigen
Ruf in die Nachfolge, seine Einladung, uns verwandeln zu lassen zur Menschlichkeit.
„Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der
hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde
die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht
Jesu Christi.“ (2. Korinther 4,6)
Durch uns – in dem Angesicht Jesu Christi.
Ob wir diese Berufung, diese unglaubliche Würde des Menschengeschlechts
annehmen und beherzigen und leben können? Zweifel sind ja angebracht,
wir werden wohl auch künftig nicht ohne Sünde leben. Aber wir
können umkehren und heil werden. Diese Liebe lebt seit 2000 Jahren
unter uns und hat die Welt verändert.
Propst Peter Godzik