Judas - von Geld, Verrat und Machtfragen

Erst war alles ganz anders gewesen. Da war Judas einer von den Zwölfen: Jesus hatte ihn zu sich gerufen und gewollt wie die anderen Jünger auch. Er sollte ganz nahe bei Jesus sein. Und so wurde auch er berufen in den Kreis der zwölf Auserwählten und von Jesus ein Apostel genannt. Zusammen mit den anderen elf sandte Jesus ihn aus, zu predigen. Er gab ihm sogar die Vollmacht, böse Geister auszutreiben und Krankheiten zu heilen. Das alles war vorher gewesen: Jesus hatte ihn eingesetzt und ordiniert zum Amt der Kirche.
Dann hatte er eine wichtige Funktion im Kreis der Apostel übernommen: Er hatte den Beutel, verwaltete also die Kasse. Er wehrte sich gegen den allzu großzügigen Umgang mit dem Geld im Kreis der Jünger und kritisierte Maria von Bethanien für ihre Verschwendung von kostbarem Salböl. Er gab vor, an die Armen zu denken, hatte aber wohl eher seinen eigenen Vorteil im Auge.
Damit begann das Hernach: Judas war eifersüchtig auf Johannes und Maria, auf Menschen in selbstverständlicher Nähe zu Jesus. Er konnte nicht glauben, er konnte nicht lieben - und diesen Mangel an Aufmerksamkeit für seine Person kompensierte er mit dem Griff in die Kasse. Er hatte die Macht, er konnte es sich leisten, was andere nicht hatten. Aber er hatte die Liebe Jesu nicht. Nicht mehr.
Vorher, ja da gehörte er auch zu den Auserwählten. Jetzt war er eher sein Konkurrent. Der Mann mit der Kasse.
Das Verraten beginnt mit Hingehen und Reden. Das Verraten setzt sich fort im Geschäftemachen, das nicht nach Treue und Rechtschaffenheit fragt. Das Verraten wird unausweichlich, wo einer eine günstige Gelegenheit sucht.
Judas will Jesus verraten. Es ist Absicht, keine Fahrlässigkeit. Vielleicht sind die Silberlinge nicht die Hauptsache, nur ein günstiger Nebeneffekt, die Folge eines Geschäftes eben. Das eigentliche Motiv? Eine nächtliche Konfrontation mit der bewaffneten Gewalt! Mögen andere in den Nächten andere Begegnungen suchen - Judas kommt es nicht auf die Liebe, sondern auf die Machtfrage an. Ist das nicht schon immer der Verrat an den Menschen, wenn statt der Liebesfrage die Machtfrage gestellt wird?

Propst Peter Godzik