Kommentar für die Nordelbische Kirchenzeitung, Ausgabe 9. Dezember 2001:

 

Erinnerung und Solidarität

 

Die Erlösung kam für die Menschen in Nazi-Deutschland durch die Truppen der Alliierten: Sie jagten den Terror aus dem Land. Sie befreiten die Menschen aus den Konzentrationslagern und machten sich an den Wiederaufbau eines geschundenen Landes. Nicht alles, was sie taten, war gerecht. Aber sie ließen sich nicht davon abbringen, die Besiegten wiederaufzurichten und ihnen die Werte einer freien und demokratischen Gesellschaft beizubringen. Sie halfen auch mit Gütern und Geld. Am wichtigsten aber war ihre menschliche Solidarität, die Erkenntnis, dass gemeinsamer Glaube in die Zukunft uns verbindet.

Die Erlösung kam für die Frauen in Afghanistan (und für die Shelter Now-Mitarbei­tenden) durch die Truppen der Alliierten: Sie jagten den Taliban-Terror aus dem Land. Sie befreiten die Menschen von einem terroristischen Regime und machten sich an den Wiederaufbau des Landes. Nicht alles, was sie taten, war gerecht. Aber sie ließen sich nicht darin beirren, den Befreiten die Werte einer freien und demokratischen Gesellschaft beizubringen. Sie halfen auch mit Gütern und Geld. Am wichtigsten aber war ihre menschliche Solidarität, die Erkenntnis, dass eine gemeinsame Hoffnung für die Zukunft uns verbindet.

Die früher Erlösten taten sich schwer, den Alliierten bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus beizustehen. Sie wollten sich die Hände lieber nicht schmutzig machen in einem womöglich immer noch ungerechten Krieg. Sie rieten zur humanitären Hilfe, zum globalen Einsatz für Gerechtigkeit und allenfalls zu blauhelmgestützten Polizeimaßnahmen. Bis sie sich an ihre eigene Geschichte und Befreiung erinnerten. Sie stritten miteinander auf allen Ebenen und rangen sich schließlich zu einer deutschen Beteiligung auch an militärischen Maßnahmen durch. Seitdem können sie erhobenen Hauptes andere erheben und befreien aus dem Joch terroristischer Gewalt.

Sie lesen die alten Geschichten mit neuem Verständnis: Selbst der Menschensohn kommt mit den Wolken des Gerichts – „mit großer Kraft und Herrlichkeit“ (Lukas 21,27). Vor ihm zerschmilzt alle Bosheit und Ungerechtigkeit wie Wachs an der Sonne. Und die Menschen vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen. Was tröstet in solch bewegenden Zeiten? Das Wort von der Geduld (Offenbarung 3,10) und das Vertrauen in die Verheißung, dass die Erlösung naht von allen teuflischen Anschlägen (Lukas 21,28 und Offenbarung 3,9).

 

Propst Peter Godzik, Ratzeburg