Schwankende Gefühle

 

von Propst Peter Godzik

 

Da sind also Leute, die sich über das Kommen Jesu nach Jerusalem riesig freuen, die viel erwarten von ihm. Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! rufen sei. Sie legen ihm Palmenzweige auf den Weg, die Symbole der makkabäischen Freiheitskriege, und geben damit zu erkennen, dass sie den Messias, den Befreier von politischer Unterdrückung und Fremdherrschaft erwarten. Sie freuen sich und sind begeistert.

Ein paar Tage später sieht das ganz anders aus. Die Leute sind bitter enttäuscht. Jesus ist doch nicht der gewesen, für den sie ihn gehalten haben. Er war kein Aufrührer, kein politischer Befreiungsheld. Das macht sie ohnmächtig und wütend. Aus ihrem begeisterten „Hosianna“ wird ein zorniges „Kreuzige ihn“ vor Pilatus, und aus den Palmenzweigen der Verehrung wird eine Dornenkrone der Verspottung. Selbst seine Jünger sind verzweifelt und traurig und rennen weg.

Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt. Mir kommt das sehr bekannt vor. Solche schwankenden Gefühle kenne ich auch von mir. Ob das nur an den Umständen liegt? So dass ich eben manchmal einen Grund habe, begeistert und fröhlich zu sein, und dann eben wieder Dinge erlebe, die mich traurig und verzweifelt, ja manchmal sogar aggressiv machen?

Wie war das damals? Hat es nur an den Umständen gelegen, dass die Menge vom Hosianna zum Kreuzige-ihn umgeschwenkt ist? Hat es an Jesus gelegen, dass er die Erwartung der Menge enttäuscht hat?

Ich glaube nicht. Jesus ist doch in allem derselbe geblieben. Er hat sich durchgehalten bis zu seinem Tod am Kreuz. Er hat keine falschen Versprechungen gemacht und sie im entscheidenden Augenblick nicht eingehalten. Im Gegenteil, er ist mutig seinen Weg der Liebe bis zum bitteren Ende hindurch gegangen.

Was sich nicht durchgehalten hat, das ist die Beziehung der Leute zu ihm. Erst haben sie unendlich viel von ihm erwartet, so viel, wie Jesus gar nicht geben wollte, so viel, dass sie gar nicht mehr sehen konnten, wie Jesus wirklich war – und dann waren sie maßlos enttäuscht, dass ihre kühnsten Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt wurden, und sie wurden traurig und sogar aggressiv gegen diesen Jesus, den sie eben noch enthusiastisch gefeiert hatten.

Hosianna in der Höhe! – Kreuzige ihn! Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt. Das liegt nicht nur an den Umständen. Das liegt auch an der eigenen inneren Einstellung der Menschen – damals genauso, wie heute.