Epiphanias

Annäherungen an den Predigttext Kolosserbrief 1,24-27

Aus einem Gesprächskreis für die ältere Generation in der Domgemeinde Schleswig.

Zwei Sätze des Apostels Paulus, die es in sich haben: Ein kurzer Satz mit einer provozierenden Aussage ("ich freue mich in den Leiden, die ich für euch leide") und ein sehr langer Satz mit lauter fremdklingenden Worten (Diener, Amt, Gleichnis, Geschlechter, Heilige, Heiden, Herrlichkeit).

Ich wüßte gern, worunter genau der Apostel Paulus gelitten hat: unter Krankheit, Verfolgung und Gefängnis, die er am eigenen Leib gespürt hat; oder unter Bedrückung, Verfolgung und Irreführung der Gemeinde, die ihm so sehr am Herzen lag, daß ihr Leiden ihm an die Nieren ging?

Ich dachte immer, daß den Leiden Christi nichts hinzugefügt werden müsse, denn er sagt ja selbst, daß er mit seinem Leiden und Sterben alles für unsere Erlö­sung getan hat. Aber Paulus meint wohl, daß da, wo Christen leiden und verfolgt werden, auch das Haupt, Christus, selbst mitleidet. So steht es jedenfalls in Römer 8,17: "Wir sind Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden."

Der Text ist so schwer, weil Sprache und Bilder nicht mehr in die heutige Zeit passen. Wir freuen uns höchstens über eine Erstattung von Steuern, aber daß ich selbst etwas erstatten könnte, noch dazu am eigenen Leib oder Leben, das ist uns doch sehr fremd.

Bei "meinem Fleisch" denken wir eher an das, was wir beim Schlachter gekauft haben. Diese Rede vom "Fleisch" ist nur noch in altertümlichen Resten bei uns gebräuchlich: "mein eigen Fleisch und Blut", "da zeigt aber jemand viel Fleisch" und "Fleischeslust".

Was heißt das eigentlich, wenn die Gemeinde den Leib Christi in der Welt darstellt? Wir kennen soziologische und gruppendynamische Kategorien für die Beschreibung von Gruppen. Was bedeutet da ?Leib?? Die enge Ver­bindung mit dem Haupt? Könnte es sein, daß Paulus so etwas meint: Zu seinem irdischen Leiden am Kreuz kommt nun noch hinzu das Leiden sei­ner Apostel und Zeugen, das Leiden der Gemeinde?

Ich höre aus diesem Text: Wenn ich Gemeindeglied sein will, dann muß ich bereit sein zu leiden. Es wird immer gesagt: Die Kirche habe versagt. Aber die Kirche sind doch wir. Vielleicht waren wir nicht bereit, wirklich zu leiden für das Evangelium.

Woran kann man eigentlich erkennen, daß einer sein Amt von Gott hat? Es behaupten so viele, im Namen Gottes zu sprechen und zu predigen. Gibt es irgendwelche Kriterien, nach denen wir beurteilen können, ob einer sein Amt zu Recht ausübt?

Mich beschäftigt in diesem Satz, was denn "reichlich predigen" heißt. Heißt das, oft und lange predigen? Ich erinnere mich daran, daß ein Predigthörer des Apostels Paulus mal eingeschlafen und vom Fenstersims gefallen ist. So eine Predigt kann ja lebensgefährlich werden!

Dabei dürfen Pastoren doch über alles predigen, bloß nicht über 20 Minu­ten. Früher gab es dafür Sanduhren auf den Kanzeln.

Was ist mit dem "verborgenen Geheimnis" gemeint? Daß im Alten Testa­ment schon immerfort vom Messias die Rede ist und erst durch, das Neue Testament so richtig verständlich wird, wer oder was damit gemeint ist? Bei Jesaja gibt es ja so eine Stelle, wo vom leidenden Gottesknecht die Rede ist, und keiner wußte so genau, wer damit gemeint ist. Erst als Jesus den Menschen begegnete, haben sie viele Stellen aus der Bibel besser verstanden.

Wer sind die Heiligen? Menschen, die viel in der Bibel lesen und die Gebote halten? Oder macht Gott mich heilig, weil er mich kennt und liebt? Denn wenn Gott mit mir redet und ich auch darauf höre, dann komme ich doch in eine enge Beziehung zu ihm, so daß die Nähe zum Heiligen mich heilig macht.

Hier wird ja ein, besonderes Glaubensgeheimnis mitgeteilt: "Christus in euch". Ist damit das Abendmahl gemeint, bei dem wir mit dem Brot Chri­stus in uns aufnehmen? Da kommt uns Gott ja ganz nahe. Er ist nicht nur über uns und unter uns, sondern auch in uns. Das ist eigentlich das Beson­dere am christlichen Glauben.

Aber was ist mit "Herrlichkeit" gemeint? Doch nicht so etwas wie die "herr­lichen Zeiten", die wir schon einmal erlebt haben, nämlich die Demonstra­tion von Macht und Stärke? Als Mose Gott begegnet war auf dem Berg Sinai, da strahlte sein Angesicht. Meint "Herrlichkeit" so etwas wie "Glanz"?

Dann müßten wir nicht, wie Nietzsche meinte, erlöster aussehen als Chri­sten, aber glänzen von innen heraus als Widerschein einer großen Liebe, die wir erfahren haben.

Mir hat dieser Text mein Leben lang zu schaffen gemacht. Weil das Leiden mit Freude verbunden wird; Das mag ja masochistisch klingen und enthält doch eine tiefe Wahrheit. Der Missionar Felix Paulsen, der lange in China im Gefängnis gesessen hat, hat einmal gesagt, er habe sich jeden Tag gefreut. Auf die erstaunte Frage, wie das möglich gewesen wäre in seiner Situation, habe er geantwortet: Christus war in mir.

Der Text spricht von der Lebenserfahrung des Paulus, und einige wenige Heilige und Märtyrer haben vielleicht auch solche Erfahrungen gemacht. Für mich ist wichtig: Gott hält auch für mich ein Amt bereit, ein bescheide­nes Nebenamt, wie Albert Schweitzer das genannt hat. Ich kann es im Gebet erfahren, was ich tun soll und wo ich gebraucht werde.

Und ich habe auch in meinem Leben die Erfahrung gemacht, daß Leiden mich gestärkt hat. Ich habe mich danach viel mehr freuen können und erst richtig begriffen, wie wenig selbstverständlich alles ist und daß ich viel Grund habe zur Dankbarkeit.

Peter Godzik

Abgedruckt in: Erhard Domay (Hg.), Gottesdienst Praxis - Serie A: IV. Perikopenreihe, Band 1: 1. Sonntag im Advent bis Letzter Sonntag nach Epiphanias, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1999, S. 103-105.