Überlegungen zum Bau einer Kirche im Ortszentrum von Büdelsdorf

von Peter Godzik

Es ist sehr bedeutsam, wenn von Seiten der politischen Gemeinde Büdelsdorf der Wunsch an uns herangetragen wird, eine Kirche im neu geschaffenen Ortszentrum von Büdelsdorf zu errichten. Darin kommt das allmählich gewachsene Bewusstsein zum Ausdruck, dass in die Mitte unseres Ortes nicht nur Geselligkeit, Geschäft und Verwaltung gehört, sondern auch eine geistliche Dimension, die unserem Zusammenleben Tiefe und Menschlichkeit gibt.

Die Kirche mitten im Dorf - das sagt mehr als viele Worte, worauf sich die Menschen in ihrem Leben verlassen wollen. Es fehlt etwas Wichtiges, wenn diese "Mitte" nicht auch von unserem Glauben besetzt wird, der versucht, den Menschen in Freud und Leid nahe zu sein und ihnen eine Hoffnung zu geben.

Büdelsdorf hat in dieser Hinsicht eine besondere und bemerkenswerte "Kirchengeschichte": Vor knapp dreihundert Jahren, am 13. Sonntag nach Trinitatis 1691, nahmen die Büdelsdorfer, Fockbeker und Nübbeler Bauern zusammen mit der Ortschaft Vinzier Abschied von ihrer "Marienkirche buten Rendsburg", der alten Campen-Kirche. Wegen der geplanten Festungserweiterung in Rendsburg, die Ausdruck einer auch schon damals als teuer und unsinnig empfundenen Sicherheitspolitik im Interesse einer streitbaren "Partei" war (in diesem Fall: des Königs von Dänemark), mussten Kirche und Ortschaft weichen, wurde massiv in das Leben der Menschen eingegriffen.

Die Pläne der Büdelsdorfer und Fockbeker Bauern, in Fockbek eine gemeinsame neue Kirche zu bauen, wurden aufgrund eines Einspruchs der Rendsburger Bürger "von oben" vereitelt. Man befürchtete geschäftliche Nachteile und andere Unbequemlichkeiten, und so kam es, dass die Büdelsdorfer und Fockbeker zwangsweise nach Neuwerk "eingepfarrt" wurden.

250 Jahre lang blieb die Büdelsdorfer Kirchengemeinde ein Teil der Neuwerker Christkirchengemeinde, bis sie endlich selbständig werden durfte. In dieser Zeit hat sich die Neuwerker Kirchengemeinde nur zögernd und sehr allmählich mit den Büdelsdorfer Kircheninteressen beschäftigt:

130 Jahre lang waren den Büdelsdorfer Bauern Bänke im Nordteil der Kirche und Begräbnisplätze auf dem Kirchhof um die Kirche herum zugewiesen (bis auf die Armenleichen, die kamen auf den Pestfriedhof nach Fockbek), dann kam die Carlshütte und brachte viele Arbeiter in den Ort. Da reichte der Neuwerker Kirchhof nicht mehr aus, es wurde in Fockbek ein Friedhof für die ganze Landgemeinde errichtet und, als auch der zu klein wurde, 1876 einer für Büdelsdorf.

Mit dem Friedhof hat es also angefangen, die allmählich wachsende kirchliche Selbständigkeit der Büdelsdorfer. 1902 wurde die Friedhofskapelle gebaut (die inzwischen wieder abgerissen ist) und 1928 ein kirchliches Gemeindehaus. Dieses Gemeindehaus hat in der Zeit des Nationalsozialismus leider nicht nur kirchliche Veranstaltungen gesehen, sondern auch eine Reihe von politischen, die dem Ansehen der Kirche in Büdelsdorf schwer geschadet haben. Kirche ist den Menschen im Ort zuerst obrigkeitlich, dann militärbürgerlich und schließlich politisch-opportunistisch begegnet, was eigentlich erstaunlich macht, dass so viele beim Glauben der Väter und Mütter geblieben sind.

Heilen durfte das alles erst durch das mutige Auftreten einer Frau, der Vikarin Dr. Elisabeth Haseloff, die den Büdelsdorfern eine geistliche Grundlage gab und ihnen ihre kirchliche Selbständigkeit erstritt.

Aus dem Gemeindehaus wurde die Kreuzkirche, freilich ohne hohen Glockenturm, ein wenig versteckt in der Kirchenstraße, aber doch geliebt von den Büdelsdorfern mit all ihren Unzulänglichkeiten. Durch den Flüchtlingsstrom nach dem Krieg wuchs der Ort, neue Wohngebiete entstanden im Osten der Gemeinde, und dort wurde dann auch 1972 eine weitere Kirche gebaut, die Auferstehungskirche. Dicht am Friedhof gelegen dient sie besonders als Raum für die Trauerfeiern, ihr gottesdienstlicher Charakter ist nur schwach ausgeprägt. Sie trägt eben all die Spuren einer wenig kirchbaufreundlichen Zeit an sich, der späten sechziger, frühen siebziger Jahre, in der sie planerisch und baulich entstanden ist.

Pläne für den Bau einer "richtigen" Kirche im Zentrum des Ortes gibt es seit langem. In den Jahren nach 1922 fehlte das Geld, es galt andere Probleme zu lösen. In den fünfziger Jahren fiel die Entscheidung für ein Gemeindezentrum im Ostteil des Ortes, was der damaligen Entwicklung durchaus entsprach. Nun ist die Zeit reif, erneut über eine Kirche "mitten im Dorf" nachzudenken.

Es wäre ein Gewinn für das geistliche Leben unserer Gemeinde, wenn sich die sonntägliche Gottesdienstgemeinde an einem Ort zusammenfinden könnte und nicht mehr, wie bisher, getrennt in zwei Kirchen feiern müsste. Der Gottesdienst als eigentliche Mitte des kirchlichen Lebens soll stärken und vergewissern. Das geschieht auch dadurch, dass die Gottesdienstbesucher sich gegenseitig kennenlernen und sich als eine zum Lobe Gottes versammelte Gemeinde begreifen.

Wir haben schon einmal den Versuch gemacht, mit nur einem sonntäglichen Gottesdienst in einer Kirche in Büdelsdorf auszukommen. Den daraus erwachsenen Vorteil eines schönen und gut besuchten Gottesdienstes in der Auferstehungskirche haben wir mit einem gravierenden Nachteil erkauft: dem Symbol einer leeren Kreuzkirche im ohnehin benachteiligten Westteil unseres Ortes.

Auch die besonderen Gottesdienste, die übers Jahr gesehen mehr Menschen in die Kreuzkirche brachten als sonst, haben diesem Gefühl der Leere nicht abgeholfen. Darüber haben besonders die damals häufig wechselnden Pastoren im Westbezirk geklagt.

Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt, in beiden Kirchen findet ein einigermaßen gut besuchter Gottesdienst statt. Nach diesen Erfahrungen kann es nicht darum gehen, die eine Kirche gegen die andere, den einen Ortsteil gegen den anderen auszuspielen, sondern sich gemeinsam in der Mitte zu treffen. Das ist ja überhaupt die Absicht des kommunalen Ortszentrums in Büdelsdorf, die auseinanderstrebenden Teile in der Mitte miteinander zu verbinden. Wir könnten unseren Teil dazu beitragen.

Die Frage nach dem künftigen Schicksal der beiden vorhandenen Kirchen lässt sich dahingehend beantworten,

Die Kirche im Ortszentrum sollte ein geistliches Zentrum sein, das neben dem sonntäglichen Gottesdienst auch noch anderen, alltäglichen Gebrauch ermöglicht.

Ich stelle mir eine offene Kirche vor, die einlädt zur Stille, zum Verweilen, zum persönlichen Gebet. Dazu müsste sie so gebaut werden, dass sie Wärme und Geborgenheit ausstrahlt und neben einem großen Gottesdienstraum auch noch einen kleinen Andachtsraum enthält. Wenigstens dieser Andachtsraum, vielleicht aber auch die ganze Kirche, sollte in seiner/ihrer Gestaltung ein Schritt auf die anderen Konfessionen zu sein: in der Betonung von Wort und Sakrament, Andachtsbild und Licht, das auf das Ewige verweist. Zusammen mit der Orgel, den Glocken, Bildern und Paramenten, gottesdienstlichen Gewändern und Gebärden soll eine Atmosphäre entstehen, die heilend und segnend auf die Menschen wirkt. Schön wäre es, wenn tagsüber ein Ansprechpartner in dieser Kirche angetroffen werden könnte für den, der das seelsorgerliche Gespräch sucht.

Dieser Ansprechpartner sollte nicht bloß auf den Ratsuchenden warten und ihm dann auf professionelle Weise begegnen, sondern zunächst einmal für sich selbst Ruhe und Andacht suchend in dieser Kirche gegenwärtig sein, um dann seine Haltung des Gebets und der hörenden Aufmerksamkeit mit jemand anderem zu teilen.

Dazu müsste ein Raum vorhanden sein (oder vielleicht sogar eine Klause, wenn man daran denkt, Menschen für eine längere Zeit zum Verweilen in dieser Kirche einzuladen), der es ermöglicht, sich zurückzuziehen, zu lesen, zu schreiben, sich aber auch rufen zu lassen, wenn ein anderer dessen bedarf. Bei so vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in unserer Gemeinde müsste es möglich sein, einen solchen Dienst wenigstens tagsüber zu gewährleisten.

Jeden Freitagabend könnte in dieser Kirche eine Taizé-Andacht stattfinden, die Mittelpunkt einer geistlichen Geschwisterschaft wäre. Daraus könnten Impulse des Miteinanderteilens erwachsen, die etwas von der Kritik gegenstandslos machen, die angesichts der Kirchbaupläne nun erneut auftaucht: es ginge bei dieser Kirche lediglich um äußere Repräsentation und religiöse Selbstbeweihräucherung und nicht um tatkräftiges soziales Engagement.

Es geht in Wahrheit um alle drei Dimensionen in recht verstandener Tiefe: um Arbeit und Gebet in sichtbarer Präsenz mitten in unserem Ort Büdelsdorf.

Mitwirkung der Gemeinde

Liebe Gemeinde!

Diese Überlegungen zum Bau einer Kirche im Ortszentrum von Büdelsdorf habe ich im Einvernehmen mit meinen drei Amtsbrüdern auf einer öffentlichen Sitzung des Kirchenvorstandes am 17. März 1986 im Gemeindehaus West vorgetragen. Der Kirchenvorstand hat sich daraufhin sehr ernsthaft und engagiert mit diesem "Kirchentraum" auseinandergesetzt. Kritische und zustimmende Äußerungen wurden laut; allen war bewusst, dass hier eine große Verantwortung auf den Kirchenvorstand zukommt. Ehe wir ein begründetes Ja oder Nein zu all diesen Plänen und Vorstellungen sagen können, wollen wir uns miteinander auf einen Weg begeben: Am 22. April wird der Kirchenvorstand erneut darüber beraten, diesmal in Gegenwart des Propstes und des zuständigen Baudezernenten im Nordelbischen Kirchenamt. Wir wollen auf ihren fachmännischen Rat hören. Gleichzeitig wollen wir Sie, liebe Gemeinde, mit dieser Veröffentlichung im "Grünen Blatt" an der weiteren Meinungsbildung beteiligen. Wir bitten Sie deshalb herzlich, uns Ihre zustimmenden oder ablehnenden Äußerungen mit den entsprechenden Begründungen zukommen zu lassen. Im Juni, noch vor Beginn der Sommerferien, wird dann eine Gemeindeversammlung stattfinden, auf der das ganze Für und Wider dieses "Kirchentraumes" freimütig erörtert werden soll.

Sehr bewusst haben wir bisher davon abgesehen, irgendwelche Zahlen in den Raum zu stellen. Es entspricht unserer Erfahrung, dass vorhandenes oder fehlendes Geld oft die zuvor notwendige Auseinandersetzung um den tieferen Sinn eines Vorhabens ersetzt oder behindert. Ehe wir vom Geld reden, wollen wir von unseren Wünschen und Träumen, aber auch von unseren Sorgen und Befürchtungen sprechen, die unser Handeln motivieren. Danach gilt es, alle vorgebrachten Argumente sorgfältig zu prüfen, die uns übertragene Verantwortung in geistlicher und weltlicher Hinsicht unserem Auftrag gemäß wahrzunehmen und eine möglichst einmütige Entscheidung zum Wohle der Gemeinde zu treffen. Bei einem solchen Vorgehen wird uns vielleicht auch manches von dem zuwachsen, was uns jetzt noch zu fehlen scheint.

Bitte begleiten Sie uns auf unserem Weg mit Ihren Gedanken, beteiligen Sie sich selbst an dem, was werden soll.

Mit herzlichen Grüßen, Ihr Peter Godzik

In: Kirche in Büdelsdorf. Information - Besinnung - Meinungsbildung, Ausgabe April 1986.