Sterbe-Heroen. Eine Buchbesprechung

Walter Jens/ Hans Küng: Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstverantwortung. Mit Beiträgen von Dietrich Niethammer und Albin Eser. Piper, München/ Zürich, 1995, 220 Seiten, 29,80 DM

Was will Hans Küng? Nach der Geburtenregelung nun auch noch die Sterberegelung. Selbstbestimmt - oder doch wenigstens ethisch verantwortet. Nur leider versteht er an dieser Stelle von Ethik nicht viel - er verwechselt mehr als einmal passive und indirekte Sterbehilfe. Er fürchtet sich vor Erbschleichern, Krankenkassen und einer bestimmten Sorte von Ärzten, Juristen und Kirchen­männern. Sie alle sollen bestraft werden, die ihn missverstehen und seinen "ethi­schen Mittelweg" missbräuchlich bege­hen. Dafür werden die Juristen schon sorgen. Er hat einen Verbündeten gefun­den: Walter Jens. Der kennt sich in der Literatur aus und bewundert die Sterbe-Heroen. Beide wissen: Sie können es den Ärzten nicht zur Pflicht machen, ihnen bei der geplanten Selbsttötung am Ende beizustehen. Die finden solche Zumu­tungen nämlich unerträglich. Aber viel­leicht leistet ja doch noch einer den erhofften Beistand. Hospize zur Freitod­begleitung und rechtliche Anerkennung der aktiven Sterbehilfe - Gott bewahre uns vor solchen "Humanisten"!

Aber zum Glück gibt es da noch die Professoren Niethammer und Eser, die im Anhang des Buches zu Wort kom­men. Sie legen klar, was geht und was nicht. Sie wehren sich gegen eine allzu grobe Vereinfachung und Vereinnah­mung ihrer Argumente durch Hans Küng und Walter Jens. Aber es hilft ihnen nichts: Interessengeleitetes Hören beschwört den "Nahezu-Konsens". Es gibt ihn aber nicht mit denen, die für das Recht auf aktive Sterbehilfe eintreten! Wer soll es denn tun, was Küng und Jens einfordern?

Peter Godzik

In: Lutherische Monatshefte 34 (1995) 42

Leserbrief

Entspiritualisierende Verführungskraft der High-Tech-Medizin

Zu Peter Godzik: Sterbe-Heroen, LM 11/95, Seite 42

Dass es ausgerechnet einem Pastor vorbehalten ist, das Thema all seiner Spiritualität zu berauben, all seines Ern­stes und seiner Dringlichkeit, dessen es angesichts der modernen medizinischen Möglichkeiten dringend bedarf - das ist schon so etwas wie eine Sensation.

Die Kritik von Godzik ... beweist die Verführungskraft dessen, was in der High-Tech-Medizin heute möglich ist. Dass die ethische Rechtfertigung weit hinter den sogenannten Erfolgen zurückgeblieben ist, wird hier auf eindrucksvollste Weise sichtbar. Auch die kirchliche Interpretation versteckt ihre Inkompetenz hinter den glanzvollen Fortschritten und verweigert sich dem Mit- und Weiterdenken ... wir können nicht bei einer Todesinterpretation ste­hen bleiben, die sich in Begriffen wie "Panne" ... oder "ärztlichem Versagen" erschöpft. Das wäre das Ende aller von der Kirche noch bis heute vertrete­nen Geistigkeit - hier wird der Inbegriff religiöser Transzendenz aufs Spiel gesetzt. Auch um das zu verhindern, sind Küng, Jens, Niethammer und Eser angetreten. Da wird um Konsens ge­kämpft auf einem Niveau, das preis­gegeben und vulgarisiert und entspiritualisiert wird von einem Mann der Kirche. Das begreife, wer kann.

Doris Saynisch

In: Lutherische Monatshefte 35 (1996) 36

Mein Kommentar: Die Ärztin hat aber auch gar nichts verstanden von meinem ironischen Einspruch gegen Küng und Jens. Gerade die beiden wollten statt Sterbe­begleitung Sterbehilfe. Ich jedenfalls nicht!