Mitteilung des Gemeindekollegs 1991

Bei Jesus Seelsorge lernen

Drei westdeutsche Gruppen - eine in Flensburg, eine in Lemgo und eine in Berg am Starnberger See - erproben zur Zeit das neue Seelsorgeprojekt des Gemeindekollegs "Sterbende begleiten".

Nach langjährigen Vorarbeiten nähert sich das Konzept jetzt seiner endgültigen Gestalt. Etwa ein Jahr dauert die Durchführung in einer Gemeinde oder in einem Kreis, der sich für den Besuchsdienst am Krankenbett aus- und fortbilden läßt. Acht Wochen lang gehen die Teilnehmerinnen {Männer sind bisher in diesem Projekt - warum wohl? - so gut wie gar nicht vertreten!) bei Jesus in die Schule der Seelsorge.

Die Emmausgeschichte ist der "Rote Faden" dieses Einführungskurses. Dabei geht es aber nicht nur um geistliche Aspekte der Sterbebegleitung. Psychologische Probleme und ganz praktische Fragen werden besprochen, die eigene Auseinandersetzung mit dem Tod und das Klima in der Lerngruppe sind Thema, Lektüre von Fachliteratur und Rollenspiele stehen auf dem Programm. In einer Praktikumsphase begleiten die Teilnehmerinnen des Kurses über sechs bis neun Monate einen schwerkranken Menschen. Einmal pro Monat trifft sich die Gruppe zum Austausch und zur Aufarbeitung der Erlebnisse. Dann folgen nochmals acht Abende oder drei Abende plus Wochenende, die der Auswertung und geistlichen Vertiefung der Erfahrungen dienen. Ziel ist nicht nur eine gediegene Kurzausbildung zur Laienseelsorge, sondern zugleich die Möglichkeit, im geschützten Raum einer Gruppe mit persönlichen Glaubens-, Lebens- und Sterbefragen weiterzukommen.

Die Gruppe aus der evangelischen Gemeinde in Berg berichtet, daß die Teilnehmerinnen alle hochmotiviert waren, weil sie durchweg schon einmal ein sterbendes Familienmitglied gepflegt haben. Witwen mit langer Pflegeerfahrung sagen, der Kurs helfe ihnen, das Erlebte zu verarbeiten.

Eine Kursteilnehmerin aus Lemgo erzählt, daß ihr Vater während der Kurszeit gestorben ist. Dabei sei die Gruppe zur Stütze geworden: "Man konnte sprechen; man fühlte sich geborgen. Ich habe mich nicht alleingelassen gefühlt. Wenn ich nicht weiterkam, bot mir die Gruppe Halt."

In Flensburg wird der Kurs nicht in der Gemeinde durchgeführt, sondern dient als Training und Ausbildung von Hospizhelfern, die sich bereit erklärt haben, nach dem Kurs für die Hospizhilfe zur Verfügung zu stehen. Besonders das Kurshandbuch, das von der Projektentwicklungsgruppe zusammengestellt worden ist, wird von den Flensburgern als "fabelhaft" empfunden.

In Zukunft wird das Gemeindekolleg regelmäßig eine Ausbildung anbieten, die einen Pfarrer (eine Pastorin) und eine Nichttheologin darauf vorbereitet, in einer Gemeinde oder übergemeindlich eine Seelsorgegruppe zur Sterbebegleitung aufzubauen. Der Ruf nach "gemeindenaher Diakonie" ist unüberhörbar. "Sterbende begleiten" bietet ein überzeugendes Konzept an, den Ruf zu hören und auf ihn zu antworten. Noch ist Gelegenheit, sich zum nächsten Training anzumelden. Es findet vom 19.-22. September 1991 im katholischen Exerzitienhaus Franziskushof (Schloß Craheim) bei Schweinfurt statt.