Miserikordias Domini

Annäherungen an den Predigttext Hebräer 13,20-21

Ergebnisse eines Gesprächskreises für die mittlere Generation der Domge­meinde Schleswig.

Der Text ist mir sehr fremd. Was heißt "Blut des ewigen Bundes"? Die Spra­che klingt so feierlich-schwülstig.

Mich stört, daß hier so viel in einen einzigen Satz gepackt wird. Kann man das nicht in kürzeren Sätzen sagen, die deutlich machen, wie der Zusam­menhang ist?

Der Eingang erinnert mich an den Kanzelgruß. Das ist mir vertraut. Schön finde ich auch die Rede vom "Hirten der Schafe". Da klingt der 23. Psalm an. Aber Probleme habe ich mit dem "Blut des ewigen Bundes". "O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet" - das singen wir in der Matthäus-Passion. Aber warum dieses Blutvergießen für uns? Schwierig finde ich auch diese Betonung des Willens Gottes. Wir haben doch auch unseren eigenen Willen.

Was sollen bloß junge Leute mit solch einem Text anfangen? Er ist wenig anheimelnd.

Mir hat geholfen, daß ich den Text in einer anderen Übersetzung gelesen habe. Da habe ich ihn gleich besser verstanden. Ich würde mich über so einen Brief, an mich adressiert, freuen.

Ich möchte diesem "tüchtig in allem Guten" widersprechen. Was mache ich denn, wenn die Kraft nicht reicht? Reicht ein Leben, um diesen Text mit Leben zu füllen? Wir versuchen es doch nun schon seit 2000 Jahren. "Von Ewigkeit zu Ewigkeit." Wieviele Ewigkeiten gibt es eigentlich? :

Erst konnte ich gar nichts mit dem Text anfangen. Aber dann habe ich den Zusammenhang gelesen und gemerkt: das ist ja ein Grußwort zum Schluß eines Briefes. Da holt einer noch einmal so richtig aus und sagt, was ihm wichtig ist. So könnte ich einen Brief vielleicht auch beenden.

So würdest Du aber doch niemals formulieren.

Ich sehe das so: Da sagt einer: Nun macht man. Ich wünsche euch alles Gute. Wir sehen uns dann.

Den ersten Teil dieses Textes würde ich mir gern näher erklären lassen, den verstehe ich nicht so gut. Den zweiten Teil habe ich wie ein Gebet gelesen, das auch meine Bitte sein könnte: Gott möge das in mir schaffen. Bei Grüßen am Schluß eines Briefes geht man doch eigentlich mehr auf den Emp­fänger ein. Hier steht aber keine einfühlsame Annäherung oder seelsorger­liche Ermutigung, sondern eine deutliche Zumutung. Der Wille Gottes wird so total in den Mittelpunkt gestellt. Da kommt man in eine Presse, und das ärgert mich. Das ist keine Erbauung.

Aber Gott soll uns doch die Kraft geben, nach seinen Geboten zu leben. Wir beten doch auch: Dein Wille geschehe.

Das sind eben Glaubensgrundsätze. Und dazu gehört: Mache uns tüchtig zum Guten.

Immerfort dieses "daß es ihm gefällig ist". Das gefällt mir nicht. Wenn da von dem Gott die Rede wäre, der uns Frieden schenkt, das könnte ich noch verstehen. Aber so einfach zu sagen "der Gott des Friedens"? Davon sind wir doch weit entfernt.

Es gibt keinen Frieden im ehemaligen Jugoslawien.

Was hat Gott mit unseren verrückten Kriegen zu tun? Wir haben die Frei­heit, seinem Willen zu entsprechen oder eben solche Kriege anzuzetteln. Aber warum gibt er uns nicht die Kraft, Frieden zu halten?

Die Lebensprobleme sind eben so groß, daß es immer wieder zu Kriegen kommt. Die Menschen haben es schwer, ihre Interessen auszugleichen, miteinander zu teilen und in Frieden zu leben.

Gott bringt mich innerlich zum Frieden und das kann dann auch auf andere ausstrahlen.

Ich wüßte gern, wer hier an wen unter welchen Umständen schreibt. Wer sind die "Hebräer"? Ich verstehe ja die Absicht des Schreibers: es geht um Aufmunterung. Aber mich ärgert doch dieses Herausreißen von Textabschnitten aus dem Zusammenhang. Muß das immer so sein? Ich kenne jedenfalls die Hintergründe nicht.

Ich wüßte gern mehr über "das Blut des ewigen Bundes". Ich ahne da einen Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten. Da wurde doch auch das Blut eines Opferlammes zum Schutz und zur Rettung der Menschen gebraucht. Wie wir singen: "O Lamm Gottes unschuldig am Stamm des Kreuzes" für uns geopfert - "sonst müßten wir verzagen".

Ich habe dabei an das Abendmahl gedacht - oder ist das völlig falsch? In unserem Altar werden die Blutstropfen Jesu von Engeln aufgefangen unter dem Kreuz. Ich bin Laie, ich halte mich gern an die Kunst.

Die Abendmahlsworte nach Markus klingen an.

Ich denke dabei auch an das viele Blut der Märtyrer im Laufe der Kirchen­geschichte. Das waren Menschen, die legten Zeugnis ab für ihren Glauben, Menschen in der Nachfolge Jesu.

Je länger wir über diesen Text sprechen, desto mehr reizt er mich. Ich finde durchaus warme Töne darin. Aber insgesamt redet er doch nicht sehr liebe­voll, sondern autoritär.

Wir brauchen aber solche Ermahnungen.

Die Rede vom "großen Hirten" nimmt in die Arme. Aber dieses "sei tüch­tig" klingt doch heute nur negativ.

Der Apostel war damals für die Leute ein Vorbild. Sie wollten doch solche Briefe haben mit Ermahnungen zu einem anständigen Christenleben. Ob mir persönlich das auch etwas sagt? Ich kenne den Briefschreiber zu wenig, als daß ich so ohne weiteres auf ihn hören würde.

Jesus wird hier beschrieben als Verbindung zwischen Gott und mir. Und ich werde aufgefordert, mich näher damit zu befassen und Gottes Willen zu erspüren.

Jesus als der Weg zu Gott. Das mußte ja so enden. Die anderen ertrugen das nicht. Was er redete und tat, war gegen ihren Glauben.

Sein Sterben aus Liebe für uns kann ich annehmen, aber nicht all die menschlichen Deutungsversuche mit Blut und Opfer und so. Das ist Dogmatik, mit der ich Schwierigkeiten habe.

Paulus (oder wer den Brief geschrieben hat) muß hier kräftig reden, denn er will ja eine junge Gemeinde überzeugen.

Aber ob das die jungen Leute von heute verstehen, wenn so mit ihnen gere­det wird?

Es ist ja wohl Kennzeichen unserer Generation, nicht so hart zu reden. Aber die jungen Leute verstehen es durchaus, wenn man klar und deutlich mit ihnen spricht. Auch mit "tüchtig" können sie etwas anfangen. Über­haupt: von "tüchtig" ist heute viel zu wenig die Rede.

Darüber reden allein nützt aber nichts. Man muß es auch vorleben. Der Text enthält zwei wichtige Erfahrungen aus meinem Leben: es gibt Aufer­stehung, Überwindung des Todes; und es gibt Geborgenheit: der Herr ist mein Hirte.

Ich kann darin in gar keiner Weise meine Lebenserfahrung wiederfinden. Vielleicht als einziges: ein gottgefälliges Leben. Darum bemühe ich mich. Hier wird doch nicht meine Lebenserfahrung beschrieben, sondern das, was Gott ist und was er getan hat. Und dann wird daran eine Ermahnung angeschlossen. Ich kann das akzeptieren, ich kann dem zustimmen. Aber es ist nicht meine Erfahrung:

Daß Jesus lebt, daß es durch ihn eine lebendige Beziehung zu Gott gibt, das erfahre ich, das glaube ich nicht nur. Früher habe ich davon gehört, es auch so gelernt - später habe ich es durch eigenes Leiden selbst erfahren. Die Sprache des Textes ist nicht einfach. Bei einmaligem Vorlesen und Zuhören nehme ich nicht viel mit. Der Prediger muß sich etwas einfallen lassen.

Ob eine moderne Übersetzung allein genügt? Alltagssprache verändert sich ständig. Luthers Sprache wird wohl noch länger halten.

Es käme darauf an, den Text in kleine Einheiten zu gliedern und dabei den inneren Zusammenhang deutlich zu machen. Wie Perlen, die auf einer Schnur aufgereiht sind. "Tüchtig machen" könnte man mit "befähigen" übersetzen. Und damit dann wirklich Resonanz im Zuhörer zustande kommt, würde ich mich auf eine einzige Perle aus dem Text beschränken.

Vielleicht diese: Wie kann ich einem anderen wirklich gerecht werden? Nicht schreien, wenn ich überzeugen will.

Der Prediger müßte sich selbst dem Text aussetzen, nur so kommt etwas Bewegendes heraus. Oft spürt man beim Predigthören die fleißige Arbeit, aber nichts Echtes und Persönliches.

Mir ist in einem anderen Gesprächskreis das Buß- und Bittgebet des Gottesvolkes aus Jesaja 63,7-64,11 begegnet. Da ist von Mose als dem "Hirten der Herde" die Rede. Er hat das Volk aus der Knechtschaft in Ägypten her­ausgeführt. Das hat viel Blut und Opfer gekostet. Jesus ist ein anderer Hirte. Er tritt mit seinem eigenen Leben ein, damit das Opfern aufhört. Es ist genug Blut geflossen. Jetzt können wir frei davon das Gute tun.

Der Apostel schreibt: "Ich wünsche euch nun von Herzen, daß Gott selbst euch hilft, das Gute zu tun und seinen Willen zu erfüllen. Er ist es ja, der uns seinen Frieden schenkt. Er hat unseren Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt. Ihn, durch dessen Blut der neue und ewig gültige Bund geschlossen wurde, ihn hat er zum wahren Hirten seiner Herde gemacht. Jesus Christus wird euch die Kraft geben, das zu tun, was Gott gefallt. Des­wegen wollen wir ihn bis in alle Ewigkeit loben und ehren. Amen." (aus: »Hoffnung für alle« - das Neue Testament, Brunnen Verlag Basel und Gießen)

Peter Godzik

Abgedruckt in: Erhard Domay (Hg.), Gottesdienst Praxis - Serie A: VI. Perikopenreihe, Band 2: Septuagesimae bis Rogate, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1996, S. 139-142.