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Friede auf Erden, 1904

Hermann Wohlgschaft: "Und Friede auf Erden!" Eine theol. Interpretation. In: Jb-KMG 1989.

Zur eigenen Lesesozialisation mit Karl May und Thomas Mann: Thomas Kramer: "Joseph und seine Brüder", Kara Ben Nemsi und die Ihren. Eine komparatistische Heldenreise zum Mythos bei Karl May und Thomas Mann, in: Jb-KMG 2016.

Winnetou IV, 1910

Meine Zugänge zu Karl May

Das Schlüsselerlebnis

In "Ich" (GW 34), S. 87, schreibt May: "Wer als kleiner Schulknabe auf der Kanzel gestanden und mit fröhlich erhobener Stimme vor der lauschenden Gemeinde gesungen hat, daß ein helles Licht erscheine und von nun an des Friedens kein Ende sein werde [eine Anspielung auf seinen Sologesang zu Jesaja 9,1.5-6], den begleitet, wenn er sich nicht absolut dagegen sträubt, jener Stern von Bethlehem durch das Leben, der selbst dann noch weiterleuchtet, wenn alle andern Sterne verlöschen."

Zitiert bei Kühne/Lorenz: Karl May und die Musik ..., 1999, S. 13; vgl. dazu die Predigtgedanken von Michael Welker zum 24. Dezember 2005.

Der höhere Zweck

Am 16. September 1906 schrieb May an Franz Joseph Völler in München:

"Ich mache Reisen, um Erzählungen schreiben zu können. Aber diese Erzählungen haben neben dem gewöhnlichen geographischen und ethnologischen noch einen zweiten, unendlich höheren Zweck. Nämlich ich lehre Psychologie. Ich befinde mich am Anfange dieser Erzählungen, also im ersten Bande, in der Wüste, nämlich in der Wüste der Unwissenheit, und wünsche, zunächst mich selbst, also vor allen Dingen Geist und Seele kennen zu lernen. Da kommt ein kleiner, munterer, zutraulicher Kerl geritten, der aber auf einer himmelhohen, prätentiösen Hassi-Ferdschahn-Stute sitzt und mir weißmachen will, daß er und alle seine Vorfahren Hadschi's seien. Als ich ihm aber fest auf das Gewissen klopfe, muß er eingestehen, daß keiner von ihnen und auch er selbst nicht, in Mekka, Medina, Jerusalem oder Ka'irwan gewesen ist.

Mein lieber, verehrter Herr Doctor, dieser kleine, liebenswürdige, unendlich treue Aufschneider Halef Omar ist die menschliche Anima, die sich für den Geist resp. für die Seele ausgiebt und sich gegen Jedermann der Heldenthaten dieser beiden rühmt! Ich nehme diese Anima in meinen Dienst. Ich reite mit ihr nach den heiligen Stätten, wo man zum Hadschi wird und durch das ganze Erdenleben, bis wir im letzten Band zum Dschebel Marah Durimeh gelangen, an welchem die Erkenntniß auf uns wartet. Als Halef seine 'Seele' findet, nämlich Hanneh, wird er Scheik der Haddedihn - - - das sind diejenigen meiner Leser, die mich zwar gern haben, mich aber noch nicht verstehen. In späteren Bänden kommen wir hinauf zu den Dschamikun. Das sind diejenigen meiner Leser, welche mich begreifen. Darum finde ich bei ihnen Schakara, d. i. meine Seele, und kann ihnen in der Spaltung Kara Ben Nemsi und Ustad den 'Geist' erklärlich machen, den sie begreifen sollen.

Und wie ich hier im Orient in der 'Wüste' beginne und auf dem Dschebel Marah Durimeh die Feder aus der Hand lege, so fange ich drüben im Westen in der wilden Savanne resp. Prairie an, um mich am Schluß hoch droben auf dem Mount Winnetou von meinen Lesern zu verabschieden.

Da oben ist mein Kursus in der Psychologie beendet, und meine Schüler haben so selbstständig denken und sehen gelernt, daß ich ihnen getrost die Fortsetzung dieser Forschungen überlassen kann. [...]

Ich öffne nur das Thor. Wer nach mir kommt und eingetreten ist, der mag dann sprechen."

Zitiert bei Christoph F. Lorenz (Hrsg.): Zwischen Himmel und Hölle. Karl May und die Religion, Bamberg 2013, S. 499 f.

Pro: Entdecker innerer Gegenden

Unter dem Pseudonym "Fred Holm" schrieb Karl May in der Zeitschrift "Das zwanzigste Jahr­hundert", einer Wochenschrift für Politik, Wissenschaft und Kunst (Nr. 9 vom 3. März 1907):

"Seine eigentlichen Zwecke lagen nicht auf der Oberfläche. Er hatte sich in den Dienst eines menschheitlich großen Gedankens gestellt. Er schrieb für die Aussöhnung des Morgenlandes mit dem Abendland. Er schrieb für die Erkenntnis der indianischen Aufgabe bei der zukünftigen Völkerbildung des amerikanischen Kontinents. Er schrieb, um den Blick der Oberflächlichen in die verborgenen Tiefen des Lebens zu richten und wurde, indem er seine Reiseer­zählungen durch heimische und fremde Länder führte, zum Ent­decker vollständig unbekannter innerer Gegenden, die nur für den 'Edelmenschen', nicht aber für den 'Menschen der Gewalt' er­reichbar sind. Darum ist es wohl sehr richtig, noch hinzuzufügen: Er schrieb für die Entwicklung des 'Gewaltmenschen' zum 'Edel­menschen' und tat dies in der Form von spannenden Erzählun­gen ..."

Zitiert von Siegfried Augustin im Vorwort zu Karl Mays "Mein Leben und Streben", Verlagsgruppe Weltbild o. J., S. 10.

Contra: Kritik am Symbolismus

"Wahrhaftig, eine Tragödie war diese Flucht in den Symbolismus, und sie wäre dem Dichter erspart geblieben, erspart geblieben auch den Millionen, die aus öder Werktagsfron freudig in die lichtere, vollkommenere, buntere Welt seiner Wunder und Märchen flüchteten, wenn ... sie [all die Kritiker und selbsternannten Entlarver] geschwiegen hätten."

Otto Eicke in: Der verschüttete Quell, Karl-May-Jahrbuch 1930, S. 70.