Sie sind hier: Sterbehilfe / Chronologie einer Debatte

Brief an einen Freund
vom 7. Februar 2021

Chronologie einer Debatte

November 2015: Die Sterbehilfe wird in Deutschland neu geregelt: Der Bundestag stellt die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe. Nahestehende Personen sind von der Strafandrohung ausgenommen.

März 2017: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dass der Staat in »extremen Ausnahmefällen« sterbenskranken Patienten den Zugang zu einem Betäubungsmittel gewähren muss, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht.

Juni 2018: Das Bundesgesundheitsministerium fordert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn auf, der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu folgen. Der Staat dürfe keine Tötungsmittel vergeben.

Juli 2019: Ärzte dürfen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs Suizidwillige, die selbstständig und mit klarem Verstand ihr Lebensende herbeiführen wollen, sterben lassen.

Februar 2020: Das Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung. Die Richter geben zudem dem Recht auf Suizid einen hohen Stellenwert: Selbsttötung sei Ausdruck von Selbstbestimmung. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.

Februar 2020: Die beiden großen Kirchen kritisieren das Urteil einvernehmlich. »Dieses Urteil stellt einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar«, erklären die Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung.

August 2020: Der Bischof der evangelischen Landeskirche von Hannover, Ralf Meister, plädiert in Christ&Welt für Beihilfe zum Suizid auch in kirchlichen Einrichtungen. Es sei ein Akt der Nächstenliebe, schwerstkranke Menschen bis zum Schluss zu begleiten - egal, welchen Weg sie gehen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zeigt sich besorgt über unterschiedliche Auffassungen in seiner und der evangelischen Kirche.

Januar 2021: In der »FAZ« plädieren führende protestantische Theologen dafür, in Deutschland einen assistierten professionellen Suizid zu ermöglichen. Auch kirchliche Einrichtungen sollten sich unter gewissen Voraussetzungen dem Suizidbegehren Betroffener nicht verweigern. Zu den Autoren gehören unter anderem Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und die Theologieprofessorin Isolde Karle, zu den Unterstützern Landesbischof Ralf Meister. Widerspruch kommt vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sowie in der »FAZ« vom früheren Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und dem ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock.

Januar 2021: Bundestagsabgeordnete verschiedener Fraktionen legen einen Gesetzentwurf zur Regelung der Suizidbeihilfe vor. Er soll Sterbewilligen den Zugang zu Mitteln zur Selbsttötung ermöglichen und für alle Beteiligten Rechtssicherheit schaffen. Voraussetzung sollen eine verpflichtende Beratung des Suizidwilligen und Wartefristen sein. Getragen wird der Entwurf von den Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke). KNA/MS