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Christliche Hoffnung - Hoffnung über den Tod hinaus

Generalsynode der VELKD

Bericht der Arbeitsgruppe 7 vom 21. Oktober 1988

Die Begleitung Sterbender oder plötzliches Sterben konfrontieren uns mit oft verdrängten Fragen:

Wohin gehen wir, wenn wir sterben? Was geschieht mit uns, mit unserer Seele? Was kommt nach dem Tode?

Sterbesituationen sind häufig Situationen, in denen Gründe zur Hoffnung nicht mehr zu sehen sind. Im Neuen Testament werden aber die Christen als Menschen beschrieben, die eine Hoffnung haben. (1. Thessalonicher 4, 13-14) Auch angesichts des Todes haben sie ihre Hoffnung bewahrt. Es ist auch heute möglich, sich darüber klar zu werden, welchen Grund christliche Hoffnung hat.

I.

Der Grund der christlichen Hoffnung besteht in dem, was Gott getan hat. Er hat uns zu seinem Bilde geschaffen und sein Bild in Christus erneuert, er hat Jesus den Gekreuzigten aus dem Tode zum Leben erweckt. Er hat uns seinen Heiligen Geist gesandt und uns lebendig gemacht. Wer dieses Handeln im Glauben annimmt, der hat eine Hoffnung, die über den Tod hinausreicht.

II.

Seit ihrer Taufe sind Christen in ihrem ganzen christlichen Leben mit dem Auferstandenen verbunden und können in vielfältiger Weise erfahren, wie sein Leben in unser Leben hinein wirkt: in der Vergebung der Sünden, im Gebet, in der Erfahrung der Nähe Christi, im Abendmahl, im Vertrauen auf die vielfältigen Wirkungen des Heiligen Geistes. All dies wird in unserer Lutherischen Kirche zusammengefaßt in der Erfahrung von der Rechtfertigung des Sünders.

III.

Die Teilhabe am unvergänglichen Leben Christi wird im Johannesevangelium mit dem Bilde vom Weinstock und den Reben beschrieben. Das bezeichnet eine untrennbare Lebensbeziehung. (Johannes 15,5) So sagt Jesus zu seinen Jüngern: "Ich lebe und ihr sollt auch leben." (Johannes 14, 19) Die Wirklichkeit des Auferstandenen übergreift die Grenze von Leben und Tod: "Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn; denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, daß er über Tote und Lebende der Herr sei." (Römer 14, 7-9, vgl. auch Römer 8,38f.) Dieses Wort wird auch als Hoffnungswort bei unseren Beerdigungen gesprochen. Unsere Hoffnung gründet sich nicht auf dieses Leben und ist auch darauf nicht beschränkt: Daß das neue Leben nicht einfach vom irdischen Leben her - gleichsam verlängernd - verstanden werden kann, sagt Paulus im l. Korintherbrief: "Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich, es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft, es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib." (1. Korinther 15, 42-44)

IV.

"Wird es ein Wiedersehen mit unseren Toten geben?" Nach dem Neuen Testament ist das Leben nach dem Tode zwar nicht mit unseren Vorstellungen und Begriffen faßbar. Aber so persönlich-unverwechselbar wir auf Christus getauft sind, so persönlich-unverwechselbar werden wir in der Auferstehung vor Christus treten. "Freut euch, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind." (Lukas 10,20) Das gilt für jeden einzelnen von uns und darum für uns alle, für die ganze große Gemeinde Gottes. Im Gottesdienst singen wir, daß schon jetzt eine große Schar von Propheten, Aposteln, Märtyrern und Heiligen im "Himmel" bei Gott ist. (EKG 320, Vers 4 und 5) Niemand von uns geht verloren, wenn er im Herrn gestorben ist.

V.

Die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten erfüllt sich allerdings nicht einfach gradlinig. Das Neue Testament erwartet vielmehr am Ende der Zeiten für alle Menschen das Gericht Gottes. Nur der Glaube an Jesus Christus wird Christen in diesem Gericht bewahren. Was mit denen wird, die nicht an Christus glauben, wissen wir nicht; das ist nicht unsere, sondern Gottes Sache. Deswegen brauchen wir keine Theorie der Allversöhnung aufzustellen. Unsere Sache ist es allein, dem Evangelium im Leben und im Sterben zu trauen und es durch Wort und Tat so zu bezeugen, daß es als Hoffnung in diesem Leben und über den Tod hinaus wirksam werden kann.

VI.

Hinsichtlich der Hoffnung des ewigen Lebens werden von Menschen immer wieder bestimmte Fragen gestellt:

  • Das von der Naturwissenschaft bestimmte heutige Denken scheint jeden Gedanken über den Tod hinaus zu verbieten. Aber ist es denn wahr, daß der Tod das vollständige und unwiederbringliche Ende des Sterbenden bedeutet? Die Vorstellung, daß unser "Ich", etwas, das unseren Namen trägt, den Tod überdauert, ist mit dem Denken von Naturwissenschaftlern heute durchaus vereinbar.
  • Was wird mit den Menschen, die von der Botschaft des Glaubens nicht erreicht sind? Diese Frage beschäftigt viele Menschen. Die Aussage im Apostolischen Glaubensbekenntnis, daß Jesus Christus hinabgestiegen ist in das Reich des Todes, will bezeugen, daß die Hoffnung auf Jesus Christus allen Menschen gilt. (Vgl. auch 1. Petrus 3, 19 f.) Wie Gott sie verwirklichen wird, ist unserem Wissen und Erkennen entzogen. Aber Jesus Christus ist eine universale Einladung zur Hoffnung.
  • Für manche Christen ist der Gedanke an eine Reinigung des Menschen nach dem Tode vorstellbar. Aber wann ist die Reinigung des Menschen wirklich ausreichend? Und darf man die Erlangung der Gnade erst an das entfernte Ende eines Weges stellen? Entscheidend ist, daß die Annahme aufgrund der Gnade Jesu Christi durch die Taufe schon jetzt gilt, auch wenn wir noch schuldig werden. Das biblische Zeugnis sagt: Wir sind jetzt Gerechte und Sünder zugleich.
  • Viele Menschen fühlen sich heute von der Wiederverkörperungslehre, die aus dem Hinduismus stammt, angezogen. Die Verbindung des eigenen Lebens mit der belebten Natur und die Möglichkeit der Wiederkehr in verschiedenen Gestalten des Lebens wirken interessant. Viele übersehen dabei aber, daß der ersehnte Weg zur Befreiung nach der Wiederverkörperungslehre unter dem harten Gesetz der Vergehung steht. Jede Verfehlung wirkt degradierend. Die Umwege der hoffenden Seele sind unendlich. Demgegenüber sagt die christliche Hoffnung, daß mein Leben schon hier und heute durch die Taufe eingebunden ist in das neue Leben Jesu Christi. Schon hier und heute ist Jesus Christus der Grund meiner und unserer Hoffnung und Freiheit.
  • Ein Zustand des Menschen nach dem Tode, wenn der Leib zerfallen ist und die Erinnerung an den Verstorbenen erlischt, ist nur schwer vorstellbar. Für viele hat der Gedanke einer unsterblichen Seele, die bleibt, viel Einleuchtendes. Wen Christus in der Taufe angenommen hat, der darf sich in der Hand Gottes geborgen wissen. Gott kann mit seinem schöpferischen Wort auch die Toten ansprechen.
  • Wann wird das Reich Gottes kommen? Im Neuen Testament finden wir verschiedene Antworten, die wir mit unseren Zeitbegriffen nicht vereinen können. Jesus verkündigte den Anbruch des Reiches Gottes in der Zukunft der Endzeit. Aber einem seiner beiden Mitgekreuzigten sagte er zu: "Heute wirst du mit mir im Paradiese sein!" (Lukas 23, 43) Paulus kann sagen, daß wir die Auferweckung der Toten in der zukünftigen Endzeit erfahren werden. (1. Korinther 15) Zugleich aber spricht er seine persönliche Gewißheit aus: "Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein." (Philipper l, 23) Die christliche Hoffnung über den Tod hinaus kann mit unseren irdischen Vorstellungen nicht gemessen werden. Beides ist wahr: Wir werden, wenn wir gestorben sind, bei Christus sein. Und: Wir werden zusammen mit all denen, die Christus zugehören, vom Tode auferweckt werden und in das Reich Gottes eingehen. Gott wird "alles in allem sein". (1. Korinther 15, 28)

Die Gruppe bittet die Generalsynode um folgenden Beschluß:

Die Generalsynode bittet die Bischofskonferenz, die Frage nach der christlichen Hoffnung, Hoffnung über den Tod hinaus, in geeigneter Weise weiterzuberaten.

Aus: Peter Godzik/ Jürgen Jeziorowski (Hg.), Von der Begleitung Sterbender. Referate und Beschlüsse der Generalsynode der VELKD in Veitshöchheim 1988, Hannover 1989, S. 172-177.