Für den Frieden beten, denken und arbeiten

von Peter Godzik

Liebe Gemeinde! Vom 7. bis 17. November veranstalten wir wieder eine Friedenswoche in unserer Kirchengemeinde.

Wir beginnen mit einem Bittgottesdienst für den Frieden und schließen mit einem Feierabendmahl unter dem Bibelwort "Brich mit dem Hungrigen dein Brot". Dadurch und durch das tägliche Friedensgeläut mit anschließendem Friedensgebet in der Auferstehungskirche wollen wir deutlich machen, dass der Ausgangspunkt für alles, was die Kirche tun kann, um für den Frieden zu arbeiten, das Gebet für den Frieden und die lebendige Verkündigung des Evangeliums ist.

Wir wollen uns aber auch der schwierigen Problematik von Sicherheitspolitik und Atomrüstung stellen und die damit verbundenen Fragen im Lichte des Evangeliums prüfen. Anregungen dazu soll uns die "Erklärung des Reformierten Bundes zur Friedensverantwortung der Kirchen" geben. An einem Gemeindeabend wollen wir uns mit diesen neuen Thesen vertraut machen und auch nach eigenen Antworten auf die uns gestellten dringenden Fragen suchen.

Es geht dabei um unser glaubwürdiges Zeugnis als Christen. Ich schließe mich im Folgenden den Formulierungen des Reformierten Bundes an:

Viele sind zwar der Meinung, die Militärpolitik und die Frage der Atomrüstung seien zu kompliziert, als dass sie ein Laie in der Gemeinde verstehen könnte. Aber das stimmt nicht. Die von der niederländischen Hervormde Kerk herausgegebenen Dokumente ("Kirche und Kernbewaffnung" und "Wort an die Gemeinden zur Kernbewaffnung", Neukirchener Verlag) machen uns deutlich, wie jedermann sich die notwendigen fachlichen Informationen beschaffen kann. Gerade weil die Militärpolitik von heute grundlegende ethische Entscheidungen herausfordert, müssen wir über die Planungen und Ziele der militärpolitischen Experten Bescheid wissen.

Manche sagen auch, die Kirche solle sich aus diesen Problernen heraushalten, Evangelium und Kirche seien nur für den inneren Frieden mit Gott verantwortlich; der Friede auf Erden in seiner politischen Gestalt falle allein in die Zuständigkeit der sogenannten Obrigkeit und die Friedenssicherung sei eine politische Ermessensfrage.

Darauf lässt sich so antworten: Reich Gottes und irdisches Reich, der Frieden Gottes und der Frieden auf Erden sind gewiss zu unterscheiden; beides ist nicht einfach dasselbe. Aber beides ist auch nicht voneinander zu trennen, weil wir Jesus Christus als den Herrn über alle Bereiche unseres Lebens bekennen. Darum ist der Friede auf Erden zu gestalten in Entsprechung zum Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Wir sind schon jetzt und hier auf Erden verpflichtet und befähigt, in Frieden zu leben und den Frieden zu suchen, Vertrauen zu wecken und Mißtrauen abzubauen. Darum sind Christen aufgerufen, auch zu politischen und gesellschaftlichen Fragen konkret Stellung zu nehmen.

Unsere niederländischen Schwestern und Brüder und jetzt auch die Schwestern und Brüder des Reformierten Bundes in der Bundesrepublik Deutschland haben das getan: Sie haben den militärischen und politischen Gebrauch der atomaren Waffen verworfen; sie haben einseitige kalkulierte Vorleistungen in der Abrüstung gefordert, die den Verzicht auf weitere Stationierung neuer nuklearer Waffen in Europa einschließen. Dieses Zeugnis für den Frieden verstehen sie als ein Bekenntnis, das aus dem Glauben an das befreiende und versöhnende Handeln Gottes in Jesus Christus erwächst.

Es ist gewiss nicht leicht, Wege des Friedens vorzuschlagen, die geprägt sind von einem wagenden und gewagten Vertrauen. Wer mit der Abrüstung auf der eigenen Seite anfängt, gerät leicht in den Verdacht, das Geschäft der anderen Seite zu betreiben. Und der Vorwurf wirklichkeitsferner Schwärmerei ist hierzulande rasch parat. Aber wir brauchen uns nicht verunsichern zu lassen, wenn die Verheißung des Evangeliums gilt, dass wir unter dem Schutz und Schirm des Auferstandenen leben werden. Wir können das Wagnis des Vertrauens eingehen und haben auch keinen Grund, zu resignieren und im Gefühl der Ohnmacht gegenüber den politischen Entwicklungen zu verharren. An Jesus Christus lernen wir, dass Gottes Kraft gerade in den Schwachen mächtig ist.

Von uns, den Bürgern und Christen in der Bundesrepublik Deutschland, von unserem Verhalten wird es entscheidend abhängen, ob die Rüstungsschraube zurückgedreht wird und ob es in Europa zu konkreten Schritten der Abrüstung kommt. Darum lassen Sie uns alle nicht nur im Raum der Kirche und unserer Gemeinde, sondern inmitten unserer Weit und unseres täglichen Lebens Zeugen der Liebe und des Friedens Jesu Christi werden. Wir wollen Gott bitten, dass er uns Erkenntnis und rechtes Urteil lehre (Psalm 119,66) und dass er uns mutige Schritte tun lässt.

In: Kirche in Büdelsdorf. Information - Besinnung - Meinungsbildung, Ausgabe Oktober 1982.