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D. Bonhoeffer, Wer bin ich?

bedacht

Im Wörtchen "bedacht" schwingen viele und unterschiedliche Assoziationen mit. Wer sein Leben bedenkt, läßt es nüchtern Revue passieren. Er wird dabei auf "Bedenkliches" stoßen, das sich im Rückblick als störend oder sogar als zerstörerisch erweist. Er wird aber auch entdecken, mit wieviel Gutem er "bedacht" wurde. Wenn das Bedenken ins Bedanken führt, kann auch die Einwilligung ins eigene Sterben und die Annahme des eigenen Todes folgen. Die Annahme des Lebens und die Annahme des Todes hängen eng zusammen. Wer - wie der chilenische Dichter Pablo Neruda - sagen kann: "Ich bekenne, ich habe gelebt", kann in der Regel auch Abschied nehmen vom Leben.

Schwerer, als das Schöne loszulassen, ist es für viele Sterbende, das loszulassen, was sie als Mangel und an Nicht-Erfülltheit erfahren haben. Wenn klar wird, daß das nicht gelebte Leben nicht mehr nachzuholen ist, kann das Sterben bitter sein. Eine bestimmte Form von Religiosität, die vor allem aus Verboten besteht und die Entfaltung des Lebens hemmt, schlägt auf dem Sterbebett nicht selten um in Angst vor Gericht und Strafe. Ein schlichter, vertrauensvoller Herzensglaube dagegen trägt in der Regel auch im Sterben.

Dennoch: Keiner von uns weiß, wie er oder sie sterben wird. Auch das ist bedenkenswert: Wir wissen, daß wir sterben müssen, aber wir wissen weder wie noch wann.

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer war ein aufrechter Antifaschist, der wegen seiner Beteiligung am aktiven Widerstand gegen Hitler ins Gefängnis kam und schließlich kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet wurde. Er gehörte zu den wenigen Protestanten, die der Einzelbeichte einen großen Wert beimaßen. Er praktizierte sie selbst und bot sie den Vikaren an, die er im Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde ausbildete. Aus dem Tegeler Gefängnis stammt sein bekanntes Gedicht "Wer bin ich?" (1944). Ihm liegt die Erkenntnis zugrunde, daß das tiefste Geheimnis meiner Person - wir würden heute vielleicht sagen: mein "wahres Selbst" - mir selbst und anderen verborgen bleibt und nur Gott selbst zugänglich ist.

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