Die Heilung des Aussätzigen, Illustration von Harold Copping

Keiner kann aus seiner Haut

Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Gehet hin und zeiget euch den Priestern! Und es geschah, da sie hingingen, wurden sie rein (Lukas 17,12-14).

Manchmal geht der Körper merkwürdige Wege mit uns, um uns daran zu erinnern, wie wichtig es ist, Nähe zu anderen Menschen herzustellen, offen und verwundbar zu werden. Was wir in unserem Bewußtsein nicht begreifen können, zeigt sich an anderer Stelle: es geht auf, will heraus und zeigt gleichzeitig den ganzen Konflikt, unter dem wir leiden. Hautkrankheiten verhindern oft gerade den Kontakt, den wir suchen.

Jesus hat sich davon nicht beirren lassen. Er hat hingeschaut und verstanden und den Kranken Mut gemacht, sich zu zeigen. Das hat sie heil gemacht. Wenn das immer so leicht wäre, sich anderen so zu zeigen, wie man ist! Wir haben eher das Gefühl, unsere Haut zu Markte zu tragen, wenn wir andere so nah an uns heranlassen. Wir haben schlechte Erfahrungen gemacht mit Offenheit, und deshalb lassen wir so richtig niemanden an uns heran.

Aber das stürzt uns in einen fatalen Konflikt: wir möchten andererseits ja gerne, dass uns einer versteht und nahe kommt, zärtlich zu uns ist und uns liebt. Und so reagiert unsere Haut ganz empfindlich auf unsere jeweiligen Stimmungen: gereizt und gerötet, frierend und voller Abwehr, weich und voller Wärme, anziehend oder abstoßend im Geruch, voller Schuppen und Risse, gepanzert und offen zugleich. Manchmal ist es uns peinlich, wenn aufmerksame Menschen an unserer Haut entdecken, was mit uns los ist. Dann verstecken wir uns hinter dicker Kleidung, überströmenden Wohlgerüchen oder aufgetragener Farbe. Aber keiner kann aus seiner Haut. Wir sehnen uns danach, uns in ihr wohlzufühlen und von anderen angenommen zu sein. Die richtige Mischung zu finden von Distanz und Nähe.

Kinder sind da noch unbefangener als Erwachsene. Im Spiel stellen sie Kontakt her und erproben auch schon die nötige Abwehr. Sie zeigen sich, wie sie sind, und haben noch nicht so sehr mit dem Charakterpanzer zu tun, den Erwachsene im Laufe ihres Lebens meinen, sich zulegen zu müssen. Vielleicht hat Jesus deshalb die Kinder zu sich gerufen und sie vor die Erwachsenen gestellt und ihnen klar gemacht, dass sie von den Kindern lernen können, nämlich Offenheit und Vertrauen. Sie sind noch verwundbarer und deshalb offen für das Wunderbare in ihrem Leben. Wir Erwachsene haben uns eine dicke Schutzschicht zugelegt, mag sie nun aus Kosmetik oder Zweifeln bestehen, und lassen so schnell nichts Ungewöhnliches und Wunderbares mehr an uns heran.

Dabei könnte uns unsere verwundete Haut daran erinnern, dass wir uns nach Nähe, nach Liebe und Erbarmen sehnen, wie jene Aussätzigen, denen Jesus begegnet ist. Er hat hinter ihrer Abwehr ihre Sehnsucht gespürt und ihnen Mut gemacht, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind ? und siehe da, das hat sie heil gemacht. Ein Wunder, das unter uns nicht mehr geschehen könnte? Machen wir doch einmal die Probe aufs Exempel und zeigen uns den Menschen, wie wir wirklich sind: empfindsam und verletzlich, offen für Liebe und für Wunder. Und wir werden die Erfahrung machen, dass eine wirkliche Verwandlung mit uns geschieht.